Kleinst- oder Kleinunternehmen sind die häufigste Form von KMU: Fast 90 % aller Unternehmen beschäftigen weniger als zehn Personen. Bei der Bewertung von Unternehmen dieser Grösse sind die Emotionen oft höher als die verfügbaren Budgets. Verhandlungen über den Preis ersetzen dann schnell jede methodische Diskussion über eine Unternehmensbewertung.
Preisfindung“ statt „Bewertung“ hilft den Parteien aber nur, wenn sie sich einig sind oder werden müssen, wie es bei einem realen Verkauf der Fall ist. Anders verhält es sich bei sogenannten dominierten Bewertungsanlässen: Bei Scheidungs- oder Erbstreitigkeiten muss auch dann eine faire Einigung gefunden werden, wenn sich die Parteien mit unterschiedlich langen Spikes gegenüberstehen. In diesen Fällen gibt der Gesetzgeber mehr oder weniger genaue Vorgaben und am Ende sorgt ein Gericht für einen Interessenausgleich.
Bei solchen gesetzlich vorgeschriebenen Wertermittlungen geht es fast immer um die Schätzung eines „Marktwertes“. Nach dem Bundesgerichtshof ist dies „der Wert, der bei einem Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblicherweise erzielt werden könnte“. Ausschlaggebend ist also eine technische oder rechtlich-objektive Betrachtungsweise und nicht eine subjektiv-ökonomische Betrachtungsweise“. Es muss also von einem Einigungsbereich ausgegangen werden, eine Preisfindung muss simuliert werden.
Treuhänder und Berater sind hier oft als Schiedsgutachter tätig und sollen einen zwischen beiden Seiten vermittelten Wert (Schiedswert) schätzen. Dies muss unparteiisch und damit ohne Berücksichtigung der konkreten persönlichen – d.h. subjektiven – Umstände geschehen. Es sind also Annahmen erforderlich. In der Bewertungstheorie wird dies auch als objektivierende Bewertung bezeichnet. Dies ist deshalb so interessant und herausfordernd, weil hier „die gesamte […] Klaviatur der wissenschaftlichen Erkenntnis herangezogen wird“. Das führt manchmal zu Irritationen, vor allem in der pragmatisch arbeitenden KMU-Welt: ein „tragischer Fall von unerwiderter Liebe“. Insofern ein lohnendes Thema für das diesjährige Jahrbuch des Finanz- und Rechnungswesens.
Im folgenden Beitrag gehen wir auf die Besonderheiten von Kleinstunternehmen ein und zeigen, wie diese bei einer Bewertung berücksichtigt werden können. Ausgangspunkt ist das Ideal einer gesetzlich vorgeschriebenen Schätzung des Verkehrswerts eines als Einzelunternehmen geführten Kleinstunternehmens, zum Beispiel im Falle einer Scheidung. In dieser Situation müssen für alle Fragen möglichst vertretbare und gerichtsfeste Antworten gefunden werden. Vereinfachungen und Abkürzungen für hiervon abweichende Anwendungsfälle wird dann die Bewertungspraxis von selbst finden.
Methodisch gehen wir von der Best Practice aus, d.h. von einer Bewertung mit einem DCF-Verfahren. Dies schließt natürlich andere Methoden – Praktikerverfahren oder Multiplikatoren – nicht aus. Wir sind aber überzeugt, dass eine transparente und damit auch kommunizierbare Bewertung am besten mit einer DCF-Methode erreicht wird. Wenn andere Methoden verwendet werden, müssen die von uns aufgeworfenen Fragen dennoch beantwortet werden können.
Lesen Sie den vollständigen Artikel aus dem Jahrbuch für Finanz- und Rechnungswesen 2022